Götterliebling, Augenpoet, Erfolgsmensch.

Karl Walser, der Bruder des Schriftstellers Robert Walser, war zu Lebzeiten höchst erfolgreich: Ob als Illustrator führender Buchverlage, als Bühnenbildner für Max Reinhardt in Berlin, als Gestalter von Wandbildern im City-Bad in Zürich oder im Berner Rathaus und im Stadttheater – er brachte es in allen Disziplinen zur Meisterschaft. Die Ausstellung »Götterliebling, Augenpoet, Erfolgsmensch«, die am 18./19. Januar im Rahmen des Galerienwochenendes im Robert Walser-Zentrum eröffnet wird, überrascht mit Werken, die noch nie öffentlich zu sehen waren, wie einer sensationellen, jüngst in einem Bieler Altstadtkeller gefundenen Zeichnung von 1894, die den 16-jährigen Robert Walser darstellt.

In der Tradition der ›Büro-Ausstellungen‹, die das Robert Walser-Zentrum mit Werken von Markus Zürcher, Thomas Schütte und Pamela Rosenkranz begründet hat, bespielen Karl Walsers Bilder den zentralen Bibliotheksraum und die Büroräumlichkeiten des Zentrums. Dieses Umfeld ist Programm, denn die Ausstellung ist kein finales Resultat einer Kuration, sondern markiert den Auftakt zu einer Auseinandersetzung mit dem vielseitigen Maler.

Karl Walser ist für den literarischen Werdegang seines Bruders Robert wegweisend. Auch deshalb ist der Künstler für das Walser-Zentrum von grosser Bedeutung. Das Zentrum initiierte in den vergangenen Jahren Publikationen zu dessen künstlerischer Entwicklung, realisierte gemeinsam mit der Stadt Bern die Neugestaltung seiner Grabstätte auf dem Schosshaldenfriedhof und trägt zur grossen Karl Walser-Ausstellung bei, die 2026 in drei Grossstädten in Japan gezeigt wird.

Die neue Ausstellung im Robert Walser-Zentrum dauert ein Jahr und ist Anlass zu Vorträgen, Arbeitstreffen und Workshops, die zusammen mit Institutionen durchgeführt werden, die über bedeutende Karl Walser-Bestände verfügen. Im Hinblick auf Karl Walsers 150. Geburtstag im Jahr 2027 sollen die Dimensionenseines Werks neu erschlossen und beleuchtet werden. Es gibt kaum einen anderen Künstler seiner Zeit, der sich so vieler unterschiedlicher Ausdrucksmedien bediente. Er war Gestalter und Illustrator von Büchern, entwarf Bühnenbilder und Kostüme, zeichnete, malte Aquarelle und Ölgemälde, trat mit Druckgrafik hervor, realisierte Fresken und Wandbilder in privaten und öffentlichen Bauten, amtete als Vorstandsmitglied der modernen Künstlervereinigung »Berliner Secession« und entwarf, wie man erst seit Kurzem weiss, Stoff- und Tapetenmuster für das Goethe-Haus in Frankfurt am Main.